-
Die Euro-Zone ist dank der viel geschmähten Konsolidierung auf dem
mühsamen Rückweg in die Normalität. Nun liegt es an den Regierungen der
einzelnen Länder, sich nicht wieder gehen zu lassen....
Von Florian Eder
Noch verstellt die Not des
Heers der Arbeitslosen den Blick auf den Fortschritt, und in Athen ist
man nicht so weit, wie das die Geldgeber gerne hätten. Aber die
Drohungen haben ihre Wucht verloren. Denn zumindest so viel ist
erreicht: Die Währungsunion steht nicht mehr vor dem Bruch.
Zyperns
Präsident kann maulen, dass seinem Land Unrecht getan werde, aber er
löst damit keinen Wirbelsturm mehr auf den Finanzmärkten aus.
Deutschland leistet sich eine neue Partei, die den Rauswurf der
Südländer propagiert, und es passiert – nichts.
Sogar
Griechenland ist auf dem mühsamen Weg in die Normalität: Eine
Regierungskrise dort ist kein Grund mehr, den Zerfall zu fürchten. Dass
das heute möglich ist, zeugt vom sachten Erfolg der Euro-Rettung. Es
geht nicht mehr länger nur noch bergab mit Ansehen und Stabilität der
Währungsunion.
Spanien versteht, Portugal bleibt eisern
Der Kitt, der
die Euro-Staaten heute enger aneinander bindet als noch vor einem Jahr,
der ihnen mit Lettland bald sogar ein neues Mitglied bescheren wird, ist
kein Wunderding, sondern hausgemachter Komponentenkleber. Die
Europäische Zentralbank erschien übermütig in ihrem Versprechen des
vergangenen Sommers, den Zerfall nicht der Stimmung des Augenblicks zu
überlassen. Bislang hat es gewirkt.
Und mittlerweile
beginnt die zweite Komponente anzuziehen, es gibt erste Reformen.
Spanien hat verstanden, dass seine Jungen keine Chance haben ohne einen
flexibleren Arbeitsmarkt. Portugals Regierungschef riskiert alles für
seinen Reformkurs.
Slowenien, eben
noch der jüngste Hilfskandidat, hat den Ehrgeiz, es ohne EU-Hilfe zu
schaffen. Und das Euro-Neumitglied Lettland? Wirbt für Zumutungen – zur
Zukunftssicherung.
Die
Neuverschuldung in den Euro-Ländern ist nur noch halb so hoch wie vor
der Krise. Die Gesundung der Euro-Zone hängt allerdings davon ab, dass
sich dieser Ehrgeiz verbreitet und von Dauer ist. Das entscheidet sich
in den Hauptstädten, nicht in Brüssel – und nicht nur in Berlin.
Das ist das
Vertrackte daran: Die Rezepte, die gemeinhin als die der Bundeskanzlerin
gelten, wirken tatsächlich. Aber nur, wenn sie ein jedes Euro-Land als
seine eigenen begreift.
Europa druckt kein frisches Geld
Seit Jahr und
Tag wussten einige in Europa und der Welt nur die schlichteste
Krisenlösung zu bewerben: mehr Geld, mehr Einsatz, mehr Europa. Alle
drei Forderungen haben sich im harten Licht der heutigen Wirklichkeit
als verkehrt erwiesen – und viele Regierungen sind auf dem Weg, das zu
begreifen.
Wer dauernd
mehr Mittel fordert, verkennt, dass es in Europa (noch) nicht so ist,
dass frisches Geld einfach gedruckt wird. Selbst die reichen Staaten
müssen vor ihren Bürgern begründen, warum sie es ausgeben. Vor allem
aber: Es geht seit mehr als drei Jahren darum, die Finanzmärkte nicht
mehr zu riskanten Wetten zu verleiten. Sie dürfen sich nicht darauf
verlassen können, dass ihnen der Steuerzahler ihre Verluste abnimmt.
Das geht nur,
indem man einmal sagt: Wir zahlen nicht unbegrenzt. Zypern ist ein gutes
Beispiel – selbst der Präsident hatte Lust zu zocken, sein Parlament
verwarf den ersten Deal und bekam einen erheblich schlechteren zweiten.
Es war und ist
ebenso müßig, einen größeren Einsatz von Europa und seinem stärksten
Land zu fordern. Schon Garantien der vergangenen drei Jahre brachten die
Bundesregierung an die Grenzen einer Mehrheit im Bundestag.
Diese Ratgeber,
aus Großbritannien, aus Amerika meistens, mussten nie Wähler davon
überzeugen, dass sie für Fehler Griechenlands, Spaniens oder Zyperns
haften sollten. Das Tonband, das irische Banker dabei belauschte, wie
sie über ihre Helfer nichts als Hohn gossen – es mag als Grund nicht
ausreichen, kann aber ein Anlass sein, über die Grenzen der Zumutung für
Steuerbürger nachzudenken.
Der Steuerzahler kann nicht alles schultern
Was auch
gelang: Die Politik schaffte es, ihren Anspruch deutlich zu machen, dass
Banken mehr und mehr wie gewöhnliche Unternehmen funktionieren müssen,
also im Zweifel auch pleitegehen können. Es gelang, die Regel zu
etablieren, dass Banken künftig nicht mehr vom Steuerzahler gestützt
werden sollen – ohne dass stattdessen, wie zu befürchten stand, der
Hilfsfonds ESM die Rolle des Hauptkapitalgebers übernehmen muss. Das
kann bei der Dekontaminierung des Finanzsektors helfen.
Und es zeigt
die Richtung, in die sich die EU entwickelt, eine so pragmatische wie
hilfreiche: Das ist nicht "mehr Europa" im Sinne einer Zentralisierung
der Macht bei der Kommission in Brüssel.
Die
Regierungschefs haben in den Krisenjahren als Kollektiv ein europäisches
Machtvakuum gefüllt, das niemand anders besetzen konnte. Denn die
Mittel, mit denen die EU ins Risiko ging, kamen und kommen von den
nationalen Steuerzahlern. Die Staaten werden den Machtzuwachs nicht
wieder hergeben.
Jeder Staat muss liefern
Das heißt aber:
Sie müssen auch liefern – weniger als europäische Institution, sondern
jeder für sich. Die Kommission darf Richtlinien und Verordnungen
vorschlagen, sie darf die Anstrengungen der wirtschaftlichen Gesundung
der EU koordinieren, sie verfügt in Wirtschafts- und Währungsfragen
tatsächlich über einige Expertise und hat jüngst erst kluge Empfehlungen
für alle 28 EU-Länder abgegeben.
Wie viel die
wert sind, hängt nun von den Hauptstädten ab. Frankreich fühlte sich in
der jüngsten Runde brüskiert vom Vorschlag, man könne das Rentenalter in
Richtung des europäischen Durchschnitts anheben – und kündigte prompt
an, es anders zu machen.
Die Kommission
kann dagegen wenig tun. Es ist nicht ihre Schuld. Aber von einem Diktat
aus Brüssel– oder gar einem aus Berlin – kann gar keine Rede sein.
Frankreich verweigert sich der Reform, nicht Europa – und plündert
langsam seine Rentenkasse.
Angela Merkel
wirbt für die Idee, in Reformverträgen mit der Kommission festzulegen,
was jedes Land tun will, um Sozialsysteme zukunftsfest zu machen, um die
Voraussetzungen für Arbeit und Wachstum zu schaffen. Das kann die
Verbindlichkeit stärken und jedes Land tatsächlich zum Urheber der
eigenen Reformen machen – wenn es denn will.
Nicht
europäische Versprechen werden arbeitslose Jugendliche von der Straße
holen, sondern nationales Handeln. Merkel hat dieses Europa nicht
diktiert, selbst wenn es dem ähnlich sieht, das sie gelegentlich
skizziert. Es ist kein schlechtes Europa. Und ein besseres haben wir
derzeit ohnehin nicht.
6/7/13
--
-
Mehr zum Thema:
No comments:
Post a Comment