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Was ist schlecht daran, wenn
Deutschland viel exportiert? Erst einmal nichts, findet die
EU-Kommission. "Es ist sehr gut für Europa, dass Deutschland solch eine
wettbewerbsfähige Volkswirtschaft bleibt. Wir bräuchten mehr
Deutschlands in Europa", sagte ihr Präsident José Manuel Barroso.
Aber viele
"Deutschlands" lassen sich nicht einfach aus dem Nichts erschaffen. Die
Frage sei deshalb, "ob Deutschland, die Konjunkturlokomotive der EU,
mehr tun könnte, um die EU-Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu
bringen".
Das will die EU nun prüfen.
16 von 28 Ländern müssen sich eine genauere Untersuchung ihrer
Leistungsbilanz durch die EU gefallen lassen – darunter auch die
Bundesrepublik.
In den Augen der
Brüsseler Beamten stellt der konstant hohe Leistungsbilanzüberschuss
Deutschlands potenziell ein Problem dar. "Wir werden untersuchen, ob der
hohe Überschuss Auswirkung auf ganz Europa hat", sagte Barroso.
Seit 2007 über der Schwelle
Die Leistungsbilanz
beschreibt die Differenz aus Exporten und Importen. Fährt ein Land wie
Deutschland einen Leistungsbilanzüberschuss ein, führt es mehr ins
Ausland aus, als es einführt. Die EU-Kommission hat seit geraumer Zeit
ein stärkeres Auge auf Leistungsbilanzen.
Denn die
Defizite einiger südeuropäischer Länder waren die Vorboten der
Finanzkrise. Die EU-Kommission hat Leistungsbilanzen daher einen Rahmen
gesetzt. Sie stuft einen Leistungsbilanzüberschuss von mehr als sechs
Prozent der Wirtschaftsleistung über einen Zeitraum von mehr als drei
Jahren als stabilitätsgefährdend ein.
Deutschland
liegt bereits seit 2007 ununterbrochen über dieser Schwelle. Und ein
Ende ist nicht in Sicht: Laut EU-Kommission wird Deutschland noch bis
2015 die Grenze von sechs Prozent reißen.
Dabei stößt die
deutsche Exportstärke schon lange auf Kritik. Frankreichs damalige
Finanzministerin Christine Lagarde, heute Chefin des Internationalen
Währungsfonds, hatte bereits 2010 gefordert, Deutschland müsse mehr für
die Nachfrage im eigenen Land tun.
Kopfschütteln bei Politikern
Auch Politiker
aus Europas Süden forderten Deutschland zur Mäßigung beim Export auf.
Zuletzt stimmten auch die USA in den Chor ein. Sie kritisieren die
schwache Binnennachfrage und die verhältnismäßig hohe Exportquote
Deutschlands.
Dies bringt
zwei Probleme mit sich: Da die deutschen Verbraucher zu wenig
konsumieren, lahmt die Wirtschaft in anderen Euro-Ländern. Gleichzeitig
müssen diese Länder Kredite aufnehmen, um die ganzen Importe aus
Deutschland zu bezahlen.
Im Kern lautet
der Vorwurf also: Deutschland tut zu wenig für das europäische Wachstum
und wächst auf Kosten anderer Länder. Bei deutschen Politikern und
Wirtschaftsverbänden löst die Kritik Kopfschütteln aus.
"Die deutschen
Exporterfolge beruhen auf wettbewerbsfähigen Qualitätsprodukten", sagte
der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul.
"Ausgerechnet die europäische Konjunkturlokomotive Deutschland bremsen
zu wollen, würde ganz Europa international zurückwerfen."
Milliardenschwer Fehlinvestitionen
Das Bundeswirtschaftsministerium
verweist außerdem darauf, dass "auch unsere europäischen Nachbarn von
der hohen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte im außereuropäischen
Ausland profitieren". Denn zu 40 Prozent bestünden deutsche
Exportschlager aus vorgefertigten Produkten, die aus dem dem Ausland
stammten.
Daneben gibt es
eine Reihe weiterer Argumente zur Verteidigung Deutschlands. So geht
der Leistungsbilanzüberschuss gegenüber den Euro-Partnern seit geraumer
Zeit zurück. Für eine alternde Bevölkerung kann es zudem sinnvoll sein,
sein Geld im stärker wachsenden Ausland anzulegen, um später im
Ruhestand die Zinsen einzustreichen.
Allerdings sind
viele deutsche Anleger genau mit dieser Strategie böse auf die Nase
gefallen. Erinnert sei nur an die milliardenschweren Fehlinvestitionen
deutscher Landesbanken im spanischen Immobiliensektor.
Doch nicht nur
deshalb sind die Einwände gegen Deutschlands hohen Überschuss in Teilen
berechtigt. Denn Leistungsbilanzüberschüsse sind anders als oftmals
dargestellt kein Ausdruck internationaler Wettbewerbsfähigkeit.
Exportdynamik entscheidet
Erstens fließen auch
private, ins Ausland fließende Ersparnisse in die Bilanz ein, die nichts
mit der Exportstärke eines Landes zu tun haben. Zweitens sind die in
den vergangenen Jahren angehäuften Überschüsse eine Ausnahme in der
deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Noch um die
Jahrtausendwende erzielte Deutschland ein Leistungsbilanzdefizit. Auch
international betrachtet sind Überschüsse von über sieben Prozent
äußerst ungewöhnlich.
Entscheidend
für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sind vielmehr die
Exportdynamik und die Exportquoten von Unternehmen. "Der hohe
Leistungsbilanzüberschuss ist dagegen Ausdruck einer schwachen
Binnennachfrage und einer schwachen Investitionstätigkeit", sagt Jörg
Zeuner, Chefvolkswirt der KfW.
Binnennachfrage und Investitionen
Genau an dieser
Stelle liegt der eigentliche Schwachpunkt der deutschen Wirtschaft. Die
Unternehmensinvestitionen werden dieses Jahr auf ein historisches Tief
fallen. Die Bruttoinvestitionen des Staates sind seit 2003 geringer als
die Abschreibungen.
"Es kann keine
Lösung sein, die Exporte zu beschneiden", sagt Zeuner. Die Ausfuhren
seien eine Stärke Deutschlands. "Was wir brauchen ist eine Belebung der
Binnennachfrage und eine höhere Investitionstätigkeit."
Die EU hätte in
ihrer Prüfung jedes Recht, den Finger in diese Wunde zu legen.
Politisch wird es jedoch schwierig für die Kommission, eines der wenigen
Wachstumsländer zu kritisieren.
Zudem stößt die
EU-Behörde machtpolitisch an ihre Grenzen: Sie befolgt zwar die Regel,
die die EU-Staaten beschlossen haben. Aber Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble (CDU) hatte sich schon vor zwei Jahren schriftlich versichern
lassen, dass Strafmaßnahmen für Überschussländer ausbleiben würden. Auf
EU-Ebene misst Deutschland eben gern mit zweierlei Maß.
13/11/13
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